Und Urlaubs(-abgeltungs) Ansprüche verfallen doch!?

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt Probleme im Zusammenhang mit dem (Mindest-) Urlaub für Arbeitnehmer.

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss ein Arbeitnehmer seinen Urlaub im laufenden Kalenderjahr nehmen. Bestehen dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Nach jahrelanger ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sollte sich der gesetzliche Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dann nicht in einen Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG wandeln, wenn der Urlaubsanspruch am Ende des Urlaubsjahres oder – im Fall der Übertragung – am Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllbar gewesen wäre.

Der Urlaubsanspruch sollte in diesem Fall erlöschen. Dies galt nach der Rechtsprechung des BAG immer dann, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte, weil er bis zum Ende arbeitsunfähig blieb. Da auch der Abgeltungsanspruch gem. § 7 Abs. 4 BUrlG an dieselben Voraussetzungen gebunden ist wie der Urlaubsanspruch selbst bedeutet dies, dass sämtliche Ansprüche entfallen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in der Vergangenheit bereits in mehreren Entscheidungen hervorgehoben, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsames Grundrecht der Europäischen Gemeinschaft ist. Von diesem Grundsatz darf nicht abgewichen werden. Der EuGH hat dann in einer Entscheidung in der Rechtssache Schultz-Hoff vom 21.01.2009 unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung entschieden, dass der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht gem. § 7 Abs. 3 BUrlG befristet ist und nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig ist. Auch ist der Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis nach der Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Rechtsprechung, was zu einer Kumulierung gesetzlicher Urlaubsansprüche aus verschiedenen Urlaubsjahren führte. Neben der Kumulierung entstanden Probleme bei Bezug einer befristeten Erwerbsminderungsrente oder Fragen der Verjährung bzw. Ausschlussfristen aus Tarifverträgen. Einzelfragen waren höchst umstritten. Dies galt insbesondere für die Frage der Kumulierung gesetzlicher Urlaubsansprüche, die im Einzelfall zu einer erheblichen Belastung der Unternehmen führte. Verlangt wurde immer wieder eine Beschränkung dieser Ansprüche. In der Rechtssache Schulte hat der EuGH dann am 22.11.2011 eine solche zeitliche Beschränkung bejaht: Ein langjähriger Mitarbeiter erkrankte dauerhaft und bezog von 2003 bis 2008 eine gesetzliche Rente sowie eine zusätzliche Invalidenrente seines Arbeitgebers. Da eine Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nicht zu erwarten war, vereinbarte der Mitarbeiter mit seinem Arbeitgeber einvernehmlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag sah vor, dass Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, nach 15 Monaten ersatzlos verfällt.

Im Gegensatz zur Rechtssache Schultze-Hoff halten die Richter des EuGH die zeitliche Beschränkung aus dem Tarifvertrag von 15 Monaten für angemessen. Sie verweisen zwar wieder auf das Grundrecht auf Jahresurlaub. Dieser Anspruch werde jedoch zeitlich begrenzt durch den Zweck des Urlaubs auf Erholung und Entspannung bzw. Freizeit.

Daher soll grundsätzlich Urlaub in dem Jahr genommen werden, für den er gewährt wird. Ist dies aus krankheitsbedingten Gründen nicht möglich, verliert der Urlaub nach einer gewissen Zeit seinen Zweck. Auch die Interessen des Arbeitgebers müssen geschützt werden, da dieser sonst die Arbeitsorganisation nur schwer planen könne. Als zeitlichen Richtwert für die Beschränkung akzeptierten die Richter des EuGH die 15 Monate aus dem Tarifvertrag.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ist am 21.12.2011 (AZ.: 10 Sa 19/11) soweit ersichtlich dieser Rechtsprechung als erstes deutsches Obergericht gefolgt. Danach sollen Urlausansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gem. § 7 Abs. 3 BurlG spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres untergehen.

Sie sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr abzugelten.

Hans-Christian Agarius HansAdolf Welp
(Bachelor of Laws) (Fachanwalt für Arbeitrecht)