Sozialhilferegress und Immobilien – Was Sie als Immobilieneigentümer frühzeitig bedenken sollten
Warum Sie sich mit dem Thema befassen sollten
Viele Menschen möchten ihr Eigenheim oder eine vermietete Immobilie an die nächste Generation weitergeben – sei es, um die Familie abzusichern oder spätere Erbschaftsstreitigkeiten zu vermeiden. Gleichzeitig steigt im Alter das Risiko, pflegebedürftig zu werden und auf staatliche Unterstützung – insbesondere Hilfe zur Pflege – angewiesen zu sein.
Kommt es dazu, prüft das Sozialamt, ob und inwieweit Rückgriff auf Vermögen oder frühere Schenkungen genommen werden kann. Dieser sogenannte Sozialhilferegress kann dazu führen, dass:
- eine übertragene Immobilie vom Sozialamt zurückgefordert wird,
- auf Mieteinnahmen zugegriffen wird,
- Erben nachträglich zur Kasse gebeten werden.
Wann ist eine Immobilienübertragung sinnvoll?
Grundsätzlich gilt: Je früher, desto besser.
➤ Die 10-Jahres-Frist – Schenkungen rechtzeitig planen
Nach § 528 BGB kann der Sozialhilfeträger eine Schenkung – also auch die unentgeltliche Übertragung einer Immobilie – rückfordern, wenn die übertragende Person innerhalb von zehn Jahren nach der Schenkung selbst auf Sozialhilfe angewiesen ist.
Beispiel:
Herr Meier (75) überträgt 2021 seine vermietete Eigentumswohnung auf seine Tochter – ohne Gegenleistung, lediglich mit Vorbehalt eines Nießbrauchs. Im Jahr 2026 muss Herr Meier in ein Pflegeheim und kann die Kosten nicht allein tragen. Das Sozialamt zahlt für ihn – und prüft nun die Schenkung. Da die Übertragung weniger als zehn Jahre zurückliegt, kann das Amt die Tochter unter Umständen zur Rückzahlung in Höhe des Immobilienwerts heranziehen, soweit Herr Meier seinen Bedarf aus dem übertragenen Vermögen hätte decken können.
➤ Was passiert nach zehn Jahren?
Ist die Übertragung mehr als zehn Jahre her, kann die Schenkung grundsätzlich nicht mehr zurückgefordert werden. Die Immobilie ist dann – vereinfacht gesagt – „aus dem Zugriff des Sozialhilfeträgers raus“.
Wichtig: Die Frist beginnt erst, wenn der Schenker den wirtschaftlichen Wert der Immobilie tatsächlich aufgibt. Wird z. B. ein lebenslanger Nießbrauch oder ein umfassendes Wohnrecht vorbehalten, kann sich der Fristbeginn verzögern oder ganz gehemmt werden.
Beispiel:
Frau Schulze überträgt 2010 ihr Einfamilienhaus auf ihren Sohn – mit umfassendem Wohnrecht und der Verpflichtung, sie zu pflegen. 2022 kommt sie ins Pflegeheim. Obwohl über zehn Jahre vergangen sind, könnte der Sozialhilfeträger argumentieren, dass das Haus weiterhin wirtschaftlich Frau Schulze zuzurechnen ist – die Zehnjahresfrist lief also nicht ab.
Welche Risiken bestehen, wenn keine Übertragung erfolgt?
➤ Sozialhilferegress auf vorhandene Immobilien
Bleibt die Immobilie im Eigentum der pflegebedürftigen Person, so gilt sie – je nach Nutzung – als verwertbares Vermögen.
- Selbstgenutzte Immobilie: Diese ist unter bestimmten Voraussetzungen geschützt (sog. Schonvermögen). Voraussetzung ist, dass die Immobilie angemessen ist und weiterhin selbst genutzt wird.Problem: Sobald der Eigentümer dauerhaft ins Pflegeheim zieht, entfällt in der Regel dieser Schutz – die Immobilie muss dann ggf. verwertet oder vermietet werden.
- Vermietete Immobilie: Diese wird in aller Regel als Vermögen bewertet. Mieteinnahmen müssen zur Deckung der Pflegekosten verwendet werden. Reichen diese nicht, kann sogar ein Verkauf verlangt werden, sofern keine besondere Schutzwürdigkeit besteht.
Beispiel:
Herr und Frau Schneider besitzen ein Mietshaus. Herr Schneider wird pflegebedürftig und muss in ein Heim. Da die Mieteinnahmen die Kosten nicht decken, fordert das Sozialamt einen Teilverkauf oder die Beleihung der Immobilie. Hätte das Ehepaar das Haus rechtzeitig auf die Kinder übertragen, wäre dieser Zugriff möglicherweise vermeidbar gewesen.
➤ Rückgriff auf die Erben
Auch nach dem Tod eines pflegebedürftigen Elternteils kann das Sozialamt versuchen, aus dem Nachlass gezahlte Pflegekosten zurückzuerhalten – vor allem dann, wenn kein Vermögen zur Kostendeckung eingesetzt wurde.
Beispiel:
Frau Lehmann erhält fünf Jahre lang Sozialhilfe zur Pflege. Sie bewohnt bis zuletzt ihr Einfamilienhaus. Nach ihrem Tod erbt der Sohn das Haus. Das Sozialamt fordert nun einen Teil der erbrachten Leistungen zurück, da das Haus als Vermögen verfügbar gewesen wäre.
Wie eine kluge Gestaltung hilft
Als Notar begleite ich Sie bei der rechtssicheren Übertragung Ihrer Immobilie – unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte:
- Schenkung mit Nießbrauch oder Wohnrecht➔ Sie behalten die Nutzung (z. B. Mieterlöse oder Wohnrecht), geben aber das Vermögen rechtzeitig weiter.
- Schenkungsvertrag mit Rückforderungsrechten➔ Sie sichern sich für den Fall ab, dass das Kind vor Ihnen verstirbt oder in Vermögensverfall gerät.
- Pflegeverpflichtungen und Gegenleistungen➔ Vereinbarungen, bei denen die Kinder im Gegenzug Pflegeleistungen übernehmen, können sinnvoll sein – auch zur sozialrechtlichen Absicherung.
- Ergänzende testamentarische Regelungen➔ Damit Pflichtteilsansprüche oder Erbstreitigkeiten vermieden werden.
Fazit: Frühzeitige Beratung schützt Ihr Vermögen und Ihre Familie
Die Übertragung von Immobilien ist kein Schritt, den man leichtfertig gehen sollte. Es sind rechtliche, steuerliche und persönliche Aspekte zu beachten. Doch wer rechtzeitig handelt, kann:
- das Familienvermögen schützen,
- einen Zugriff durch das Sozialamt vermeiden,
- Streit unter Erben vorbeugen,
- sich selbst gleichzeitig absichern.








