Elternunterhalt und Heimkosten

Spätestens seit dem gleichnamigen Hit von Max Giesinger weiß jedes Kind in Deutschland, dass unsere Bevölkerungszahl bei 80 Millionen liegt. Davon entfallen laut Statistischem Bundesamt 17,1 Millionen auf ein Alter von 65 Jahren und höher. Die Pflegestatistik für 2013 des Statistischen Bundesamtes weist 764.000 Einwohner aus, die in Heimen vollstationär versorgt werden.

Wer sich schon einmal mit Heimkosten beschäftigt hat weiß, dass diese bei monatlich 3.000,00 Euro und mehr liegen. Kosten, die die Heimbewohner aus ihrer Rente und der Pflegeversicherung bezahlen müssten. Doch welcher Rentner/in verfügt schon über eine Rente von mindestens 3.000,00 Euro?

Der weitaus größte Teil der Versicherten in der Allgemeinen Rentenversicherung, der 45 Jahre lang ein Entgelt in Höhe des sog. Durchschnittsentgelts bezogen hat, erhielt statistisch in den alten Bundesländern am 01.07.2016 eine sog. Standardrente in Höhe von 1.370,25 Euro und in den neuen Bundesländern 1.289,70 Euro. Weit entfernt von den Kosten eines Heimaufenthaltes !

Doch wer kommt für die Kosten auf, wenn das Einkommen die Heimkosten nicht deckt?

Heimbewohner müssen nicht nur sämtliche Einkünfte aus gesetzlicher und privater Rente und der Pflegeversicherung aufbrauchen. Sie müssen die Kosten auch ihrem Vermögen entnehmen. Dazu gehören nicht nur die Vermögenserträge wie Zinsen, sondern auch der Vermögensstamm selbst, so der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 17.12.2003. Heimbewohner dürfen lediglich einen Schonbetrag als Vermögensreserve behalten. Das ist das sog. unverwertbare Vermögen im Barwert von derzeit 2.600,00 Euro, vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, § 1 BarbetragsVerordnung.

Allerdings haben Heimbewohner ab Vollendung des 65. Lebensjahrs auch Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, wenn sie ihren Unterhalt nicht aus Einkünften und Vermögen bestreiten können, vgl. §§ 41 ff. SGB XII. Seit dem 01.01.2015 beträgt der monatliche Regelsatz 399,00 Euro für Alleinstehende bzw. für den Haushaltsvorstand. Für eingetragene Lebens- und Ehepartner werden zusätzlich 360,00 Euro gezahlt. Hinzu kommen angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie Beiträge für Krankenkasse und Pflegeversicherung. Dieser Anspruch entfällt allerdings, wenn ein Kind des Heimbewohners mehr als 100.000,00 Euro im Jahr verdient, § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.

Reicht das Einkommen des Heimbewohners für die Deckung der Heimkosten nicht aus, trägt diese zunächst die „öffentliche Hand“. Die Sozialämter verlangen allerdings einen Teil der Heimkosten von unterhaltspflichtigen Kindern zurück. Denn Verwandte in gerader Linie, die direkt von einander abstammen, sind nach § 1600 BGB verpflichtet, den Eltern Unterhalt zu gewähren, sofern diese bedürftig sind. Unterhaltspflichtig sind nur die Kinder. Schwiegerkinder sind davon grundsätzlich nicht betroffen, so der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 14.01.2004 – Az. XII ZR 69/01. Über die Berücksichtigung des Familieneinkommens bei der Berechnung des sog. individuellen Familienbedarfs kommt es aber zu einer indirekten Schwiegerkindhaftung (Bundesgerichtshof im Beschluss vom 05.02.2014, Az. XII ZB 25/13). Dazu später mehr.

Grundsätzlich gilt also:

Nur wer außerstande ist sich selbst zu unterhalten, hat Anspruch auf Unterhalt. Das eigene Einkommen und Vermögen müssen zunächst aufgebraucht werden. Kinder, die unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen im Stande sind Unterhaltszahlungen an ein Elternteil zu zahlen, müssen für diese finanziell aufkommen. Das gilt insbesondere auch für Heimkosten.

Dies gilt nur dann nicht, wenn Unterhaltsansprüche gegen das Kind „verwirkt“ sind, vgl. § 1611 BGB. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt (Urteil vom 15.09.2010, Az. XII ZR 148/09). Eine solche Verfehlung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes selbst dann nicht vor, wenn der betreffende Elternteil den Kontakt zu seinem Kind seit 40 Jahren abgebrochen und es durch Testament bis auf den gesetzlichen Pflichtteil enterbt hat. Das Kind musste trotzdem zahlen. Eine Entscheidung, die für den juristischen Laien nur schwer nachvollziehbar ist.

Wie viel Elternunterhalt muss bezahlt werden?

Dies hängt von den aktuellen finanziellen Verhältnissen ab, § 1610 BGB. Es werden alle erzielten Einkünfte der Kinder zusammen gerechnet, damit ermittelt werden kann, ob sie Unterhalt für ihre Eltern leisten können, § 1603 Abs. 1 BGB. Dazu müssen die Kinder Auskunft über die Höhe ihrer Einkünfte erteilen, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind.

Bei Arbeitnehmern werden der Durchschnitt bei Einkünften von 12 zusammenhängenden Monaten vor Eintritt des Unterhaltbedarfs gebildet. Bei Selbstständigen werden die durchschnittlichen Einkünften der zurückliegenden drei bis fünf Jahre herangezogen.

Vom so ermittelten Nettoeinkommen werden folgende Kosten abgezogen:

  • berufsbedingte Aufwendungen wie z. B. Fahrtkosten, Fachliteratur oder Arbeitskleidung
  • Kosten der allgemeinen Krankenvorsorge und krankheitsbedingte Aufwendungen
  • private Altersvorsorgekosten bis zu 5 % des Bruttoeinkommens
  • Darlehensverbindlichkeiten, insbesondere Zins- und Tilgungszahlungen einer Baufinanzierung
  • Aufwendungen für regelmäßige Besuche des Elternteils
  • Beiträge für Hausrats und Haftpflichtversicherungen
  • Rundfunkgebühren
  • Miete und Mietnebenkosten in Höhe von 450,00 Euro. Liegen diese tatsächlich höher, müssen sie nachgewiesen werden. Dann können sie ebenfalls abgezogen werden. Denn dem unterhaltspflichtigen Kind wäre es nicht zuzumuten, seine Wohnung aufzugeben.

Ebenfalls abgezogen werden Unterhaltspflichten, die gegenüber dem eigenen Ehegatten oder Kindern bestehen. Denn diese haben Vorrang, § 1609 BGB.

Vom so errechneten bereinigten Nettoeinkommen kann nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle der sog. Selbstbehalt abgezogen werden. Dem Unterhaltspflichtigen steht seit dem 01.01.2015 ein Selbstbehalt von 1.800,00 Euro und für den Ehepartner von 1.440,00 Euro pro Monat zu. Der Familienselbstbehalt beläuft sich damit derzeit auf monatlich 3.240,00 Euro.

Wer ohne Trauschein mit seinem Partner zusammen lebt, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes den erhöhten Familienselbstbehalt nicht für sich beanspruchen, so der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 09.03.2016, Az. XII ZB 693/14. Hinzu kommen Freibeträge für eigene Kinder, die sich ebenfalls nach der Düsseldorfer Tabelle richten.

Dies führt dazu, dass Kinder von dem bereinigten und um den Selbstbehalt verminderten Nettoeinkommen die Hälfte an Elternunterhalt zahlen müssen. Über den folgenden Link können sie selbst den Elternunterhalt in der vorbereiteten Tabelle ausrechnen:

–> http://www.elternunterhalt.org/elternunterhalt-rechner.php

Bitte berücksichtigen Sie dabei, dass die Berechnung Ihnen nur einen Anhaltspunkt für die zu erwartende finanzielle Belastung geben soll. Die vorläufige Berechnung ersetzt nicht eine kompetente Beratung.

Sofern Kinder für die Eltern unterhaltspflichtig sind müssen sie auch mit dem eigenen Vermögen einstehen. Ausgenommen ist davon das sog. Schonvermögen. Soweit das Vermögen nachweislich der eigenen Altersabsicherung dient, bleibt es ebenfalls unangetastet.

In angemessener Höhe dürfen auch finanzielle Reserven für Reparaturen am Haus, für Urlaub, für Ersatz eines defekten PKWs und vieles mehr gebildet werden. Feste Grenzen gibt es nicht. Den stärksten Schutz genießt seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 07.08.2013, Az. XII ZB 269/12 die selbstgenutzte Immobilie.

Sind mehrere Kinder mit genügend Einkünften vorhanden, so haben sie anteilig für die Heimkosten aufzukommen, § 1606 Abs. 3 BGB. Maßgeblich für die jeweilige Haftungsquote sind die individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter Berücksichtigung des Selbstbehalts. Kommt ein Kind allein für den Elternunterhalt auf, obwohl bei den Geschwistern genug Einkommen und Vermögen vorhanden ist, kann es einen finanziellen Ausgleich von dem anderen verlangen.

Vielleicht überraschend für den juristischen Laien besteht nach dem Gesetz auch eine Unterhaltspflicht der Enkel gegenüber ihren Großeltern. Da nähere vor den entfernteren Verwandten haften, müssen Enkelkinder für den Unterhalt der Großeltern aber nur zahlen, wenn ihre Eltern selbst nicht verpflichtet sind, weil Einkommen und Vermögen zu gering ist, so § 1606 Abs. 2 BGB.

 

Welp
Rechtsanwalt und Notar